5 min Lesezeit • 17. Juni 2025

Teleoperiertes Fahren im Carsharing: Mehr Effizienz und höhere Auslastung

In einem Pilotprojekt in Detroit setzt der US-amerikanische Carsharing-Anbieter Sway Mobility erstmals auf Remote-Driving. Nutzer:innen wählen per App aus allen Fahrzeugen das passende aus, welches dann teleoperiert zur Station kommt. Das Ziel: Carsharing so effizient machen wie möglich - und als Anbieter von einer höheren Auslastung bei gleichzeitig reduzierten Kosten profitieren.

Best Practice

Über Sway Mobility

Sway Mobility konzipiert, implementiert und betreibt Carsharing-Netze für Elektrofahrzeuge für Kunden in den USA. Zu den Kunden gehören Immobilienentwickler, NGOs, Gemeinden oder Universitäten. Die Mission: Elektromobilität zugänglicher für die Allgemeinheit zu machen.

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Was Fahrer:innen wollen: Das passende Auto da, wo sie sind


Üblicherweise können Carsharing-Nutzer:innen nur aus den Fahrzeugen wählen, die an nahegelegenen Stationen verfügbar sind und sind dabei abhängig vom Ladestand dieser (Elektro-)Fahrzeuge. Mithilfe des teleoperierten Fahrens können sie nun aus allen verfügbaren Fahrzeugen des Anbieters wählen und stets ein Fahrzeug mit ausreichend Ladestand erhalten.

Was ist Remote-Driving?


Remote-Driving oder auch teleoperiertes Fahren ist im Prinzip Fahren per Fernsteuerung: Es verzichtet nicht auf eine:n Fahrer:in, sondern lagert diese:n lediglich an einen Ort außerhalb des Fahrzeugs aus.

Möglich macht das eine Kombination aus Kameras, Sensoren und Internetverbindung. Der Fernsteuerer, häufig Operateur genannt, verfügt über ein simulator-ähnliches Cockpit mit Lenkrad und Pedalen. Auf Bildschirmen erhält er sowohl Live-Bilder aus dem Fahrzeug und seiner Umgebung als auch wesentliche Fahrzeugdaten, Angaben zur Geschwindigkeit und Geo-Location.

Im Prinzip kann jedes Fahrzeug mit entsprechender Hardware nachgerüstet werden, um aus der Ferne gesteuert werden zu können. Wichtig ist die Abgrenzung zum autonomen Fahren: Auch wenn der Operateur sich nicht an Bord befindet, handelt es sich beim Remote-Driving nicht um autonomes Fahren. Es ist weiterhin jederzeit ein Mensch verantwortlich, mit voller Kontrolle über das Fahrzeug. Sollte die Internetverbindung im unwahrscheinlichen Fall zwischendurch abreißen, sorgen Sicherheitssysteme dafür, dass das Fahrzeug sicher am Straßenrand zum Stehen kommt.


Über autonomes Fahren und mögliche Effekte auf den Carsharing-Markt →

A remote-controlled sharing vehicle is driving in the Corksown neighborhood of Detroit

Vorteile des Remote Driving für Sharing-Anbieter


Als Anbieter verspricht sich Sway Mobility erhebliche Vorteile durch dieses Geschäftsmodell - insbesondere eine höhere Auslastung der Fahrzeuge und geringere operative Kosten.

Als Sharing-Anbieter in den USA ist Sway Mobility damit konfrontiert, dass die Einwohnerdichte deutlich geringer ist als beispielsweise in Europa, und die zurückzulegenden Distanzen größer. Das macht es herausfordernder, Stationen für möglichst viele Menschen wohnortnah zu positionieren und stets eine ausreichende Ladung der E-Autos sicherzustellen.

"Mit der Teleoperation können Sie das Fahrzeug jederzeit dorthin bringen, wo Bedarf besteht, anstatt es an einem unausgelasteten Standort stehen zu lassen."  

Michael Peters

CEO bei Sway Mobility


Wenn aber nun die Fahrzeuge teleoperiert zu der Station gelangen können, müssen nicht an mehreren Standorten alle verfügbaren Fahrzeugtypen bereitstehen. Das bedeutet, dass insgesamt weniger Fahrzeuge benötigt werden, um eine gleichbleibende Anzahl an Buchungen zu bedienen - und führt so zu einer höheren Auslastung der vorhandenen Autos.

Zudem ist es einfacher, E-Fahrzeuge mit niedrigem Ladestand rechtzeitig zu einer Ladestelle zu bringen, ohne dass vielzählige Ladestationen errichtet werden müssen. Dies spart Kosten und Aufwand und geht mit effizienteren operativen Prozessen einher, auch in Bezug auf Wartung und Reinigung.

Die Vorteile für Anbieter auf einen Blick

  • Weniger Fahrzeuge und Ladesäulen nötig → Zentrale Hubs für Wartung, Reinigung und Laden
  • Gleiche Anzahl an Buchungen mit weniger Fahrzeugen möglich → Bessere Auslastung
  • Weniger Ladepunkte nötig → Geringere Kosten für Installation & Betrieb
  • Bi-direktionales Laden (Vehicle-to-Grid) einfacher umzusetzen → Zusätzliche Einnahmequelle


The front of a silver remote-controlled sharing car in front of a colorful wall in Corktown, Detroitw

Wie funktioniert teleoperiertes Fahren im Carsharing?


Neben der klassischen Carsharing-Technologie, wie einer im Fahrzeug verbaute Telematik-Einheit und einer Buchungssoftware, wird für das teleoperierte Fahren weitere Technologie benötigt.

Das umfasst bei Sway Mobility das Folgende:

  • eine zusätzliche Hardware im Auto
  • ein Remote-Cockpit für die Fernsteuerung
  • mehrere 4G- und 5G-Netzwerk Modems
  • ein Failsafe-System, um das Auto sicher am Straßenrand zu parken, falls unerwartet alle Netzwerke ausfallen sollten


Dazu kooperiert der Anbieter mit Mapless AI. Während Sway Mobility die Fahrzeuge beschafft und sich um den Betrieb des Carsharings kümmert, liefert Mapless AI die Remote-Driving-Hardware und stellt die Fahrer:innen für die Fernsteuerung.

Nötig für den Piloten in Detroit war darüber hinaus die Zusammenarbeit mit Staat und Stadt: Der Staat Michigan gewährte einen Zuschuss, um das Projekt zu fördern. Da in Michigan bereits eine Regulierung zu autonomen Fahrzeugen in Kraft ist, unter die auch das teleoperierte Fahren fällt, benötigte Sway lediglich noch die Genehmigung der Stadt Detroit. Diese etablierte innerhalb von wenigen Wochen eine "Transportation Innovation Zone”, innerhalb derer das Remote Driving nun zum Einsatz kommen kann.

Eine nicht zu vernachlässigende Frage ist außerdem die des Curb Managements: Was passiert, wenn das Fahrzeug am gewünschten Ort ist, Fahrer:innen sich aber verspäten? Gemeinsam mit der kommunalen Verwaltung muss eine Regelung getroffen werden, ob das Auto in der Wartezeit am Bordstein geparkt werden darf.

Ist teleoperiertes Fahren auch in Europa möglich?


Grundsätzlich gibt es bei den Regulierungen bezüglich teleoperiertem Fahren noch große Unterschiede in Europa. Es gibt aber bereits erste ferngesteuerte Fahrzeuge auf den Straßen.

Ein gutes Beispiel dafür ist Elmo, Anbieter von Remote-Driving-Technologie aus Estland. Aktuell fahren ferngesteuerte Fahrzeuge mit der Technologie von Elmo bereits auf öffentlichen Straßen in Paris, Amsterdam, Berlin, München, Hamburg, Helsinki, Zürich und Krakau.

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Das Risiko liegt in den Kosten - nicht in der Sicherheit


Sway Mobility zufolge liegt das Risiko des Remote-Driving im Carsharing nicht in der Sicherheit dieser neuen Technologie, sondern in den - noch - hohen Kosten für diese. CEO Michael Peters geht allerdings davon aus, dass die Hardware-Kosten in den kommenden Jahren jedoch erheblich sinken werden. Die Kosten für Nutzer:innen, ein Fahrzeug via Remote-Driving zu buchen, sollen dann vergleichbar sein mit den Kosten für eine Essenslieferung.

Ein weiterer Aspekt sind Versicherungen: Bislang gibt es nur wenige Anbieter für Versicherungen teleoperierter Fahrzeuge, so dass wenig Verhandlungsspielraum besteht. Auch hier kann jedoch davon ausgegangen werden, dass mit zunehmendem Einsatz der Remote-Driving-Technologie auch mehr Versicherungsoptionen auf den Markt kommen werden.

"Wir sind davon überzeugt, dass die Teleoperation das Nutzenversprechen für Carsharing an den meisten Orten grundlegend verändern und weithin angenommen werden wird."

Michael Peters

CEO bei Sway Mobility

A silver remote-controlled sharing car in front of a large building in Detroit on a sunny winter day

Sway Mobility will Remote-Driving im Carsharing in Detroit weiter ausbauen


Im Rahmen des Pilotprojekts kann derzeit ein Fahrzeug, ein Kia Niro EV, für 5 Dollar pro Stunde (zzgl. Steuern) gebucht werden. Das Gebiet, in dem das Fahrzeug ferngesteuert an den gewünschten Ort bestellt werden kann, ist aktuell auf einen Umkreis von etwa 2 Kilometern in Corktown, Detroits ältester Nachbarschaft, beschränkt.

Noch im Sommer 2025 möchte Sway Mobility das Projekt aber ausbauen und weitere Fahrzeuge hinzunehmen. Die Carsharing-Flotte soll zukünftig Kleinwagen, rollstuhlgerechte Fahrzeuge und Multi-Purpose-Vehicles (MPVs) enthalten, um unterschiedliche Mobilitätsbedürfnisse abzudecken.

Für einen effizienten operativen Betrieb will Sway Mobility drei zentralisierte Depots im Stadtgebiet von Detroit errichten. Dort sollen die Elektrofahrzeuge robotergestützt oder kabelfrei geladen werden können.

Zudem ist der Plan für die Zukunft, dass die Fahrzeuge direkt zu den Kund:innen gefahren werden, anstatt an vordefinierte Stationen, was zu noch höherem Komfort in der Nutzererfahrung führen würde.

Mehr zum Pilotprojekt “Corktown Carshare” →

Teleoperiertes Carsharing - ein Schritt in Richtung autonomes Fahren?


Durch Remote-Driving im Carsharing öffnet sich die Sharing-Branche in einem ersten Schritt dem autonomen Fahren - welches nach Ansicht zahlreicher Experten die Mobilität der Zukunft bestimmen wird. Sway Mobility macht sich durch innovatives Denken und Handeln frühzeitig die Vorteile moderner Technologielösungen zu Nutzen und nimmt so eine Vorreiterposition ein.

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