Werden wir in den kommenden Jahrzehnten noch Führerscheine brauchen oder nur noch autonom mobil sein? Diese Frage beschäftigt viele. Auch jene, die aktuell Carsharing oder andere Mobilitätsservices anbieten - denn autonome Fahrzeuge könnten den Markt kräftig aufrütteln. Wir haben uns auf den neuesten Stand der Dinge gebracht und 3 mögliche Szenarien für die Auswirkungen des autonomen Fahrens auf das Carsharing aufgezeichnet.
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Mehr dazu auf dem MOQO Summit 2025
Rainer Becker arbeitet als Director Business Development bei MOIA aktiv daran, das autonome Fahren in Deutschland Realität werden zu lassen. Auf dem MOQO Summit wird er am 6. Mai eine Keynote zu seinen Erfahrungen der letzten 15 Jahre in der Mobilitätsbranche halten.
Was bedeutet autonomes Fahren?
Autonomes Fahren zeichnet sich in letzter Konsequenz dadurch aus, dass der Mensch nur noch den Start- und Zielort bestimmt, das Fahrzeug aber in der Lage ist, die Fahrt dazwischen selbst zu steuern und zu navigieren.
Dies gilt für die Level 4 und 5 des autonomen Fahrens. Davor gibt es weitere Stufen, auf denen das Fahrzeug zunehmend autonomer wird:
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Level 1: Assistiertes Fahren
Assistenzprogramme befinden sich schon seit vielen Jahren in fast allen Neuwagen, z.B. als Tempomat, automatische Abstandskontrolle oder Spurhalteassistent.
Level 2: Teilautomatisiertes Fahren
Auch hierüber verfügen bereits viele Fahrzeugmodelle: Das Fahrzeug kann in bestimmten Situationen kurzzeitig die Kontrolle übernehmen, wie zum Beispiel beim Einparken oder zur Spurführung. Der oder die Fahrende haftet jedoch bei Schäden und darf seine Aufmerksamkeit nicht vom Verkehr abwenden.
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Level 3: Hochautomatisiertes Fahren
Beim hochautomatisierten Fahren übernimmt das Fahrzeug unter bestimmten Bedingungen vorübergehend einzelne Fahraufgaben, angepasst an die Verkehrssituation - also beispielsweise bremsen, überholen oder beschleunigen auf der Autobahn. Der oder die Fahrer:in darf sich kurzzeitig vom Verkehr abwenden, muss aber in der Lage sein, kurzfristig das Steuer wieder übernehmen zu können, falls das Fahrzeug ein Signal sendet.
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Level 4: Vollautomatisiertes Fahren
Spricht man von autonomem Fahren, meint man in der Regel alles ab diesem Level. Hier übernimmt das Fahrzeug selbständig die Kontrolle über sämtliche Aufgaben. Ein:e Sicherheitsfahrer:in ist dabei noch vorgesehen, um im Zweifel einzugreifen. Sollte es zu Unfällen, Verkehrsverstößen oder Schäden kommen, haften die Passagiere nicht.
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Level 5: Autonomes Fahren
Ab dieser Stufe ist kein:e Fahrer:in mehr vorgesehen oder gar nötig, denn ab dem Level 5 kann auf den typischen Fahrersitz mit Lenkrad und Pedalen verzichtet werden. Es könnten gar Fahrten ganz ohne Passagiere durchgeführt werden. Das Fahrzeug ist jetzt in der Lage, jede noch so komplexe Situation zu meistern, wie beispielsweise an Kreisverkehren, Zebrastreifen oder komplexen Kreuzungen.
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Teleoperiertes Fahren
Das Fahren per Fernsteuerung, sogenanntes teleoperiertes Fahren, verzichtet nicht auf eine:n Fahrer:in, sondern lagert diese:n lediglich an einen Ort außerhalb des Fahrzeugs aus. Per Funkverbindung wird das Fahrzeug aus der Ferne gesteuert, fährt aber nicht autonom.
Was man sich vom autonomen Fahren verspricht
Der Trend zur Automatisierung macht also auch vor dem Autofahren nicht halt. Nicht nur, weil moderne Technik es zunehmend möglich macht oder der Mensch sich entspannt zurücklehnen möchte, sondern auch, weil viele Vorteile damit einhergehen können.
Erhoffte Vorteile durch autonomes Fahren:
Verbesserte Mobilität für Ältere, Jüngere oder Menschen mit Leistungseinschränkung - jene, die nicht in der Lage sind, ein Auto selbst zu steuern
Zeit im Fahrzeug kann wie auf Zugfahrten effizient und flexibel genutzt werden, zum Beispiel zum erholen, lesen, arbeiten oder telefonieren
Ein flüssigerer Verkehr in den Städten
Bessere Anbindung des ländlichen Raums, sobald autonome Fahrdienste flächendeckender und günstiger eingesetzt werden können - immerhin entfällt dann der Personalmangel als Blocker für den ÖPNV-Ausbau
Mehr Sicherheit im Straßenverkehr und weniger Unfälle - laut dem ADAC ist menschliches Versagen die Ursache für 90% aller Unfälle
Wie real ist autonomes Fahren aktuell?
In Deutschland wurde im Mai 2021 ein Gesetz verabschiedet, das vollständig autonom fahrenden Fahrzeugen (ab Level 4) grundsätzlich die Teilnahme am Straßenverkehr ermöglicht - auch wenn an Details weiterhin gefeilt wird. Beispielsweise sieht das Gesetz derzeit noch einen eingegrenzten Betriebsbereich vor. Dennoch sieht man bis auf vereinzelte Ausnahmen zu Testzwecken auch vier Jahre später noch keine selbstfahrenden Autos auf den Straßen.
Pilotprojekt ab 2025 in Hamburg
In Hamburg wird sich das Mitte 2025 ändern, denn dort startet mit dem Projekt ALIKE ein stufenweiser Testbetrieb für autonomes Ridepooling. Innerhalb einer 37 km² großen Testfläche im Zentrum der Hansestadt testen zwei Fahrzeugtypen, der von MOIA betriebene ID. Buzz AD sowie HOLON Fahrzeuge, den Betrieb unter Realbedingungen. Dabei wird sich zunächst allerdings noch ein Sicherheitsfahrer mit an Bord befinden, der bei Bedarf jederzeit eingreifen und das Steuer übernehmen kann.
In München hat das Forschungsfahrzeug “EDGAR” der Technischen Universität München bereits Praxiserfahrung sammeln können. Bei EDGAR handelt es sich um einen umgebauten VW-Multivan, der dank einer Open-Source-Software zu vergleichsweise niedrigen Kosten betrieben werden kann. Während des Oktoberfests 2024 pendelte dieser zwischen Festwiese und Hauptbahnhof, um den autonomen Betrieb zu demonstrieren. Dabei musste er nur wenige Male als Vorsichtsmaßnahme an einen Teleoperator übergeben, der das Fahrzeug dann aus der Ferne steuerte. Grund dafür waren beispielsweise Fußgänger:innen, die plötzlich zwischen am Straßenrand parkenden Autos hervorkamen.
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Die USA und China sind einen Schritt weiter
Autonomer als in Deutschland bzw. Europa geht es schon auf den Straßen von China und den USA zu. Dort sind es die Softwaregiganten Google und Baidu, die hinter den bislang eindrucksvollsten Piloten der autonomen Mobilität stehen.
Alphabet, der Mutterkonzern von Google, bietet mit der Tochterfirma Waymo autonomes Ridehailing in mehreren US-Städten. Kund:innen buchen über eine App eine Fahrt, das Fahrzeug gelangt autonom zu ihrem Standort und bringt sie dann ebenfalls autonom zum gewünschten Zielort. In San Francisco startete der Dienst 2022 nach einer langjährigen Entwicklungs- und Testphase. Seit 2023 können die Waymo-Fahrzeuge auch in Los Angeles und Phoenix genutzt werden, weitere Städte stehen in den Startlöchern.
Baidu ist das chinesische Äquivalent zu Google. Der Konzern hat mit der Tochterfirma Apollo etwa 100 Robotaxis auf die Straßen von Peking gebracht. Damit ist Peking eine von 30 chinesischen Städten, in denen autonomes Fahren bereits in der Praxis erprobt wird. Bemerkenswert ist, dass die autonomen Ridehailing-Dienste in China erheblich günstiger angeboten werden als in den USA.
Mögliche Effekte von flächendeckendem autonomen Fahren
Deloitte hat im Jahr 2019 die umfangreiche Studie “Urbane Mobilität und autonomes Fahren im Jahr 2035” veröffentlicht. Diese untersucht auf Basis von Datenanalyse und eines Online-Experiments mit 2.000 Teilnehmenden das Potential und die möglichen Effekte von Robotaxis und Roboshuttles. Denn absehbar ist: Sobald autonome Taxi- und Shuttle-Dienste zunehmend die Mobilität prägen, werden sich Stadtplaner:innen, Automobilhersteller, ÖPNV und andere Mobilitätsdienstleister auf potentielle Auswirkungen einstellen müssen.
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Unterscheidung zwischen Robotaxis und Roboshuttles
Robotaxis sind das autonome Äquivalent zu herkömmlichen Taxis. Es wird also eine Person oder eine Personengruppe auf direktem Weg zu ihrem Ziel gebracht. Roboshuttles hingegen sammeln unterwegs mehrere Personen ein und bringen diese nacheinander zu ihren gewünschten Ausstiegspunkten. Moderne Shuttle-Services wie MOIA in Hamburg berechnen dabei stets die sinnvollste und effektivste Route.
Die Untersuchungen von Deloitte kommen zu der Erkenntnis, dass autonome Fahrdienste ab 2035 zu einem der Hauptverkehrsmittel werden. Schließlich zeigten sich 32% der Befragten offen dafür, bei einem guten Preis-Leistungsverhältnis (dazu zählt, dass sie von Tür zu Tür gebracht werden und max. 10 Minuten auf ein Fahrzeug warten müssen) Robotaxis oder -shuttles zu nutzen.
Der Preis für diese Dienste dürfte laut Deloitte in den nächsten 10 Jahren unter die Kosten für ein Privatfahrzeug oder den ÖPNV sinken: Der Kilometerpreis für ein Robotaxi wird den Untersuchungen zufolge bei 34 Cent liegen, für ein Roboshuttle sogar nur bei 15 Cent. Solch ein Preisvorteil würde die Attraktivität der autonomen Dienste natürlich erheblich steigern.
Wirtschaftlich wird sich der Markt der Studie zufolge verschieben: Jährlichen Umsatzeinbußen in Höhe von etwa 760 Millionen Euro für die Automobilindustrie stehen geschätzten 16,7 Milliarden Euro Umsatz pro Jahr für die autonomen Fahrdienste gegenüber. Bemerkenswert ist dabei, dass die Laufzeit autonomer Fahrzeuge auf 3 Jahre geschätzt wird (Stand 2019) - durch die beinahe ununterbrochene Fahrleistung erheblich unter der von nicht-autonomen Fahrzeugen.
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Für eine Verkehrsentlastung braucht es Regulierungen
Da der Bedarf an privaten Fahrzeugen durch die autonomen Fahrdienste niedriger werden wird, wird sich der Fahrzeugbestand in den Städten Deloitte zufolge deutlich verringern. Aber: Die autonomen Fahrzeuge werden fast kontinuierlich in Bewegung sein - Entlastung des fließenden Verkehrs in urbanen Räumen kann also der Studie zufolge nicht erwartet werden. Grund dafür sind auch notwendige Leerfahrten, um zu den nächsten Kund:innen zu gelangen, sowie die Tatsache, dass autonome Fahrzeuge auch von jenen genutzt werden können, die bspw. aufgrund fehlender Fahrerlaubnis ansonsten anderweitig unterwegs gewesen wären.
Deloitte geht von durchschnittlich 30% mehr Fahrzeugen auf den Straßen der Städte aus, mit sinkenden Fließgeschwindigkeiten und um 10% erhöhten Fahrzeiten. Daher spricht sich die Studie für kommunale Regulierungen aus, um weiterhin eine urbane Verkehrsentlastung anzustreben.
Wie wirkt sich autonomes Fahren auf Carsharing aus?
Eine Frage, die noch offen bleibt: Wie wird autonomes Fahren den Carsharing-Markt verändern? 3 mögliche Szenarien sind aktuell vorstellbar.
Szenario 1: Autonome Fahrdienste und Carsharing existieren parallel
Robotaxis und -shuttles und klassisches Carsharing existieren in diesem Szenario weiterhin als alternative Mobilitätsoptionen und funktionieren unabhängig voneinander. Denkbar ist, dass je nach Use Case ein anderer Service genutzt wird, beispielsweise für längere Strecken Carsharing und für kurze, innerstädtische Strecken ein autonomer Fahrdienst. Oder aber, dass autonome Dienste die Metropolen dominieren, während Carsharing den ländlichen Raum abdeckt. Auch gibt es womöglich individuelle Präferenzen - diejenigen, die lieber weiterhin selbst fahren und jene, die neugierig auf autonome Fahrzeuge sind.
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Szenario 2: Carsharing geht in autonomen Fahrdiensten auf
Ein anderes mögliches Szenario ist, dass Carsharing, wie wir es heute kennen, so nicht mehr existieren wird, sondern in autonome Fahrdienste übergeht. Ein Szenario, das von Mobilitätsexperte Rainer Becker, aktuell Director Business Development bei MOIA, unterstützt wird.
Was dafür spräche: Sowohl Robotaxis und -shuttles als auch Carsharing richten sich an Menschen, die auf einen Privatwagen verzichten müssen, können oder wollen. Wenn autonome Fahrdienste zu einem niedrigeren Preis angeboten werden und die Fahrzeit noch dazu flexibel nutzbar machen, können dies ausschlaggebende Argumente sein, die Menschen zu einem Wechsel vom Carsharing zu autonomen Ridehailing bewegen können.
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Szenario 3: Hybrid-Modelle, die autonomes Fahren und Carsharing verbinden
Denkbar ist aber auch eine Zusammenarbeit beider Services. Dies könnte so aussehen, dass das Carsharing-Fahrzeug in der Lage ist, eigenständig zum Ausgangspunkt der Kund:innen zu gelangen. Dort übernehmen diese dann für ihre Fahrt zum Zielort das Steuer, bevor das Fahrzeug nach Buchungsende eigenständig zu einem Parkplatz oder zur nächsten Buchung fährt.
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Mehr zum Thema auf dem MOQO Summit 2025
Welches dieser Szenarien - wenn überhaupt eines davon - in Zukunft eintreten wird, ist für uns heute noch schwer vorherzusagen. Als Carsharing-Betreiber ist es sicherlich ratsam, sich regelmäßig einen Überblick über die Entwicklungen zu verschaffen. So werden Sie nicht überrascht, sondern haben Zeit, sich auf verbundene Risiken sowie Chancen vorzubereiten.
Kreieren Sie eine eigene Vision für die Mobilität der Zukunft und wie sich Ihr Angebot darin eingliedern soll. Falls Sie dazu noch Input benötigen: Kommen Sie zum MOQO Summit 2025! Dort wird Rainer Becker von MOIA uns aus erster Hand Einblicke in die Welt des autonomen Fahrens geben und aus seinen Erfahrungen der letzten 15 Jahre berichten.
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Über Rainer Becker
Keynote Speaker auf dem MOQO Summit 2025
Rainer ist ein überzeugter Befürworter der Vorteile des autonomen Fahrens. Derzeit leitet er die Geschäftsentwicklung für die On-Demand- Ride-Pooling-Plattform MOIA, um die Einführung von autonomen Mobilitätsdiensten in Europa zu beschleunigen.
Er verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrung in der internationalen Automobilindustrie, 15 davon verbrachte er mit der Implementierung und dem Management von Mobilitätsdienstleistungen wie Carsharing, Ride Hailing oder Mikromobilität in Europa, China und den USA.