Geteilte Mobilität ist ein wesentlicher Treiber der Mobilitätswende. Doch um diese tatsächlich zu erreichen, bedarf es noch viele weitere Shared Mobility Anbieter - gerade in ländlich geprägten Kreisen und Städten. Wie Sie Schritt für Schritt ein eigenes Sharing-Angebot entwickeln und auf den Markt bringen.
Die Mobilitätswende erfordert vor allem eins: die Abkehr vom motorisierten Individualverkehr. Anders ausgedrückt, vom privaten PKW. Ein nachhaltiger Mobilitätsmix umfasst stattdessen den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV), das Zufußgehen, Radfahren, Taxifahrten sowie die Shared Mobility - geteilte Mobilität.
Viele neue Anbieter stammen ursprünglich nicht aus der Mobilitätsbranche und müssen die Besonderheiten des Markts sowie die Anforderungen der Kund:innen erst kennenlernen. Es sind neben klassischen Mobility Start-Ups, Verkehrsbetrieben und Automobilkonzernen auch Energieversorger, Wohnungsbaugesellschaften, Hochschulen, Kommunalverwaltungen und Tourismusbetriebe, die die Shared Mobility als neuen Geschäftszweig etablieren möchten.
Bevor diese allerdings mit der Umsetzung beginnen können, sind wesentliche Fragen zu klären. Warum möchte ich ein Sharing Angebot entwickeln? Wer soll mein Sharing Angebot nutzen? Wie soll das Angebot genau aussehen? Wo und wie soll es nutzbar sein? Um diese Fragen zu beantworten, brauchen Sharing-Organisationen ein fundamentales Wissen über den Markt und die verschiedenen Möglichkeiten, die dieser bietet.
Die folgenden 7 Schritte zeigen, wie ein innovatives und kundenorientiertes Angebot von der ersten Idee bis zum Launch entstehen kann.
Schritt 1: Markt und Zielgruppe kennenlernen
Die anfängliche Recherche und Analyse ist das Fundament der späteren Angebotsplanung. Die Erkenntnisse helfen Ihnen, ein Angebot zu entwickeln, das auf Ihren Markt und Ihre Zielgruppe zugeschnitten ist.
An welche Zielgruppe Sie sich richten möchten, wird sich im Laufe dieser Phase herauskristallisieren. Wer könnte an Ihrem Angebot Interesse haben? Dabei spielen nicht nur sozioökonomische und demografische Kriterien eine Rolle (z. B. Alter, Geschlecht, Einkommen, Beruf), sondern auch psychografische Merkmale wie Werte, Einstellungen und Lebensstil.
Dabei gilt es auch, den lokalen Mobilitätsmarkt unter die Lupe zu nehmen. Wo liegen die aktuellen Schmerzpunkte? Ist es der für eine Stadt typische überlastete Verkehr und Mangel an Parkplätzen? Oder die fehlenden Alternativen zum eigenen Auto auf dem Land? Unterschiedliche Ausgangssituationen führen bei (potentiellen) Nutzer:innen zu unterschiedlichen Motivationen, warum Shared Mobility genutzt wird.
Ein Roller-Sharing auf dem Land könnte sich an junge Menschen richten, die noch keinen PKW-Führerschein haben und dennoch individuell mobil sein möchten. Carsharing in der Großstadt kann Menschen ansprechen, die meist mit Fahrrad oder ÖPNV unterwegs sind, aber hin und wieder ein Auto für Einkäufe oder Ausflüge benötigen.
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Finden Sie heraus, welche Zielgruppen Sie bedienen möchten.
Schritt 2: Vision und Ziele definieren
Wie in jeder Branche, sind auch in der Shared Mobility die Unternehmen die erfolgreichsten, die genau wissen, was sie warum erreichen wollen. Anders ausgedrückt: Die eine Vision haben und sich Ziele setzen.
In der Praxis ist eine Ahnung darüber meist der Auslöser, warum der Plan eines eigenen Shared Mobility Angebots überhaupt angegangen wird. Diese festigt sich dann meist im Laufe der vorangegangenen Analysephase, wenn der lokale Mobilitätsbedarf untersucht wird. Hier geht es nun aber darum, Ihre Vision und Ihre Ziele zu konkretisieren und festzuhalten. Was treibt Sie an? Welche Probleme möchten Sie lösen?
Eine Vision und konkrete Ziele helfen, die Kräfte Ihres Teams zu bündeln und in die gleiche Richtung zu senden. Sie schenken Orientierung und fördern die Motivation. Das gilt sowohl für ideelle, als auch für wirtschaftliche Ziele.
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Legen Sie fest, was Sie mit Ihrem Angebot erreichen möchten.
Schritt 3: Geschäftsmodell entwickeln
Ein Shared Mobility Geschäftsmodell besteht aus verschiedenen Bausteinen. Dazu gehört die Wahl der angebotenen Fahrzeugtypen. Soll es ein reines Carsharing sein? Lieber Mikromobilität mit E-Bikes oder Rollern? Oder Transporter vor Möbelhäusern oder Baumärkten? Auch ein Mix aus unterschiedlichen Fahrzeugen kann je nach Zielgruppe(n) und Zielsetzung sinnvoll sein.
Der zweite wesentliche Baustein ist die Entscheidung zwischen free-floating und stationsbasiert. Beim free-floating können Nutzer:innen Fahrzeuge flexibel in einem definierten Geschäftsgebiet abholen und abstellen. Bei stationsbasierten Angebote gibt es feste Stationen, also Parkflächen, für die Fahrzeuge. Möglich ist dabei sowohl ein Roundtrip-Sharing (d. h., das Fahrzeug wird an der gleichen Station abgegeben, wo es abgeholt wurde) als auch ein One-Way-Sharing (d. h., dass Ausgangs- und Endstation unterschiedlich sein können).
Während heute vor allem in Großstädten das Free-floating dominiert, hat auch ein stationsbasiertes Angebot seine Vorzüge. Fahrzeuge können hier beispielsweise im Voraus reserviert werden, wodurch es für Kund:innen verlässlicher ist, ein Fahrzeug vorzufinden, wenn sie es benötigen. Wichtig ist natürlich, dass an den gewählten Stationen ein tatsächlicher Bedarf vorliegt. Empfehlenswert ist zum einen die Nähe zu Wohngebieten und zum anderen die Anbindung an Verkehrsknotenpunkte wie Bahnhöfe.
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Entscheiden Sie sich für die Art und die Bereitstellungsform Ihres Sharing Angebots.
Schritt 4: Finanzierung planen
Um realistisch zu bleiben: Ein Angebot muss nicht nur Nutzer:innen ansprechen und Probleme auf dem Mobilitätsmarkt lösen, sondern auch rentabel sein. Nur so kann es dauerhaft Bestand haben und wirklich nachhaltig sein. Das heißt konkret: Sie brauchen einen realistischen Überblick über anfallende Kosten, eine Kalkulation zukünftiger Einnahmen und eine Strategie, wie das Vorhaben insbesondere in der Anfangszeit finanziert werden kann.
Einen Großteil der Kosten machen natürlich die Kauf- oder Leasingkosten der Fahrzeuge aus. Dazu kommen Kosten für Wartung, Reparatur und Säuberung, Ausstattung, Tank- und Ladekosten sowie dem Wertverlust. Weitere Kostenstellen sind eigene oder externe Mitarbeiter:innen, Kosten für Software, IT und Telematik-Einheiten, Mieten, Versicherungen, Steuern, Marketingkosten, Bankgebühren…
Die Einnahmen steuern Sie über die Tarife. Hier können Sie Kilometerpreise, Zeitpreise und Buchungsgebühren miteinander kombinieren. Am Ende sollte jede Fahrt nicht nur die konkret zurechenbaren Kosten decken, sondern auch einen Deckungsbeitrag für allgemeine Kosten enthalten.
Da Sie jedoch schon lange vor den ersten Buchungen Geld in die Hand nehmen müssen, brauchen Sie eine gesicherte Finanzierung. In Frage kommen neben ausreichend Eigenkapital Kredite bei der Bank, Investoren oder Crowdfunding. Auch öffentliche Förderungen können eine Option sein.
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Erstellen Sie sich einen Überblick über Kosten, Einnahmen und Finanzierungsmöglichkeiten.
Schritt 5: Flotte zusammenstellen
Die Flotte ist das Kernstück Ihres Angebots - und sollte zur Zielgruppe passen. Die Fahrzeugtypen haben Sie schon im Rahmen des Geschäftsmodells bestimmt. Nun ist es an der Zeit, Modelle und Anzahl auszuwählen.
Gerade beim Carsharing stellt sich oft die Frage: Elektro oder Verbrenner? Hier gibt es keine allgemeingültige Antwort. Der Bundesverband Carsharing e. V. empfiehlt in der Regel, keine reine Elektroflotte zu betreiben, solange noch viele Menschen der neuen Technologie skeptisch gegenüberstehen. Letztlich kommt es aber wieder mal auf die eigene Zielgruppe an. Ist diese offen für Elektromobilität? Gibt es in der Region genügend Ladestationen?
Grundsätzlich funktioniert ein Sharing Angebot sowohl mit herkömmlichen, als auch mit elektrisch betriebenen Fahrzeugen. Relevante Aspekte in Bezug auf die Modellwahl ist auch die Frage, wie markenaffin eine Zielgruppe ist. Könnte ein neuer Tesla das ausschlaggebende Argument sein, Carsharing zu nutzen? Oder tut es auch ein anderes (günstigeres) Modell?
In Bezug auf die Größe der Flotte gilt: Lieber klein starten und dann wachsen. Sie müssen nicht gleich zu Beginn 50 Fahrzeugen anbieten, sondern vielleicht reichen erst einmal 5. Skalieren können Sie anschließend immer noch. Aber dann haben Sie in der Zwischenzeit bereits Erfahrungen gesammelt, haben eingespielte Prozesse und können bestimmte Fehler vermeiden.
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Suchen Sie die passenden Fahrzeugmodelle für Ihr Angebot.
Schritt 6: Passende Software auswählen
Was Shared Mobility von klassischer Fahrzeugvermietung unterscheidet, ist in gewisser Weise der Grad an Digitalisierung. Denn erst mit digitalen Softwarelösungen, die das Betreiben eines mitunter komplexen Angebots ermöglichen und Prozesse automatisieren, wird dieses skalierbar und wirtschaftlich.
Sie benötigen einerseits ein Portal, über das Sie Ihr Angebot steuern, Fahrzeuge, Buchungen und Nutzer:innen verwalten, Abrechnungen durchführen, Aufgaben verteilen und Statistiken einsehen können. Andererseits brauchen Sie eine App, über die Nutzer:innen Fahrzeuge buchen, öffnen und schließen können.
Da die gesamte Customer Journey über das System abgewickelt wird, sind Sie auf dessen Stabilität, Funktionalität und Sicherheit angewiesen. Nur ein sauberer und intuitiver Buchungsprozess führt zu einer hohen Zufriedenheit der Nutzer:innen. Es ist deshalb für die wenigsten Anbieter ratsam, eine eigene Software zu entwickeln. Stattdessen ist es sinnvoller (und schneller), auf vorhandene und bewährte Lösungen zurückzugreifen.
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Finden Sie ein Softwarepaket, das zu Ihren Anforderungen passt.
Schritt 7: Marketingmaßnahmen gestalten
Am Ende ist vor allem wichtig, dass ein Shared Mobility Angebot bei den richtigen Personen bekannt ist und von ihnen genutzt wird. Das Schlüsselwort: Marketing.
Sie brauchen eine Markenpersönlichkeit, die auf Ihrer Vision und Ihren Zielen beruht und eine stringente Geschichte erzählt. Damit sprechen Sie Ihre Zielgruppe an und heben sich von möglicher Konkurrenz ab. Um wiedererkannt zu werden, ist ein konstantes Branding ausschlaggebend.
Finden Sie außerdem die passenden Kanäle, über die Sie Ihre Zielgruppe erreichen: Sei es über Social Media, Online-Werbung, Print-Anzeigen oder ausgelegte Flyer und Plakate. Kooperationen mit großen Unternehmen oder städtischen Einrichtungen machen Ihre Marke ebenfalls sichtbar.
Darüber hinaus helfen Marketingtools wie Rabattcodes oder “Freunde werben”-Aktionen, die eigene Reichweite zu vergrößern und neue Kund:innen zu gewinnen.
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Entwickeln Sie eine sinnvolle Marketingstrategie.
Die wichtigsten Erfolgsfaktoren entlang des Weges
Ob ein Angebot später erfolgreich wird oder nicht, hängt von vielen Faktoren ab. Die Verantwortung dabei abzugeben und auf “den Standort”, “die Konkurrenz” oder “die finanzielle Ausgangslage” zu verweisen, ist allerdings zu einfach. Fokussieren Sie sich stattdessen auf die Erfolgsfaktoren, die Sie tatsächlich selbst beeinflussen können:
Vernetzen Sie sich.
Suchen Sie sich Partner, die Ihnen bei der Umsetzung Ihres Angebots helfen.
Wissen, wen Sie ansprechen.
Das A und O ist die Orientierung an Ihrer Zielgruppe.
Haben Sie ein Auge auf Ihre Zahlen.
Eine regelmäßige Kostenkontrolle hilft, jederzeit nachzujustieren und Anpassungen in Ausgaben und Tarifen vorzunehmen.
Bleiben Sie effizient.
Sie müssen die Dinge nicht anders machen als die Konkurrenz - Sie müssen sie nur besser machen.
Seien Sie skalierbar.
Nur mit effizienten Prozessen sorgen Sie dafür, dass ein wachsendes Angebot nicht zu proportional mehr Aufwand führt.
Bewahren Sie einen langen Atem.
Nur wenige Anbieter sind von Anfang an profitabel, deshalb erlauben Sie sich eine Testphase von ca. 2 Jahren.